Nach meiner Ansicht führt die Besteuerung von Aktiengewinnen zu einer Steuerung hin zu Finanzprodukten, die sicherlich nicht im Sinne der Anleger ist. Allerdings muss ich leider zugestehen, dass die Steuerfreiheit langfristiger Erträge aus Aktien eine Ungleichheit dargestellt hat, deren Abschaffung mich als Aktionär leider trifft, die aber dennoch richtig war. Dennoch ist die Umsetzung nach meiner Einschätzung nicht gelungen, weil es auf einmal einen Unterschied macht, ob ein Fondsmanager eine Aktie in seinem Fonds verkauft oder ich in meinem Depot direkt.
Der Unterschied liegt in der verfügbaren Liquidität, die im letzten Fall durch die fällige Steuerzahlung reduziert wird. Dies reduziert in gleichem Maße die folgenden Investitionen und dementsprechend die zukünftigen Erträge. Der Zinseszinseffekt wird auf diese Art vermindert und damit die langfristige Vermögensbildung torpediert. Die Frage ist nun, wie stark sich dieser Effekt auswirkt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Unter der Annahme, dass ein Anleger mit einem Vermögen von 10.000 € beginnt und 30 Jahre lang monatlich 100 € spart, ergibt sich bei einer Aktienrendite ein Vermögen von knapp 155.000 €. Darin sind jedoch noch fast 109.000 € Buchgewinne enthalten, auf die bei einem Verkauf Steuern in Höhe von ungefähr 29.000 € zu zahlen wären. Die zugrundeliegende Abgeltungssteuer samt Solidaritätszuschlag beträgt 26,375%, mögliche Kirchensteuer habe ich nicht berücksichtigt.
Das Nettovermögen nach dem Verkauf beträgt damit gut 126.000 €. Für den Fall, dass der Anleger jedes Jahr einen Teil seines Portfolios umschichtet, reduziert sich dieses Vermögen. Bei einer durchschnittlichen Umschichtung von 10% des Portfolios pro Jahr sinkt das Vermögen vor Verkauf auf nur noch knapp 131.000 €. Dafür sind die Buchgewinne jedoch mit ungefähr 47.500 € weniger als halb so hoch und entsprechend die latenten Steuern mit circa 12.500 € deutlich niedriger. Das Nettovermögen nach Verkauf sinkt dennoch beachtlich auf gut 118.000 € oder fast 8.000 € entsprechend 6,1% niedriger.
Eine Erhöhung des durchschnittlichen Anteils der Umschichtungen am Portfolio auf 30% reduziert das Vermögen vor Verkauf noch beträchtlich um ungefähr 12.000 € auf circa 119.500 €, das Nettovermögen nach Verkauf sinkt jedoch um nur 4.000 € auf etwas über 114.000 €. Eine weitere Erhöhung auf durchschnittlich 50% Anteil der Umschichtungen führt zu einem Nettovermögen von ungefähr 112.500 €, also zu keinen wesentlichen Änderungen mehr.
Der Effekt steigert sich mit wachsendem Vermögen
Beginnt ein Anleger direkt mit einem Vermögen von 250.000 € ohne weitere Einzahlungen vorzunehmen, so entwickelt sich sein Vermögen in 30 Jahren auf knapp 1.436.000 € unter der gleichen Annahme der Wertentwicklung und ohne Umschichtungen während dieser Zeit. Darin enthalten sind jedoch Buchgewinne in Höhe von 1.185.873 €, auf welche Steuern in Höhe von 312.774 € bei einem Verkauf zu entrichten wären. Das Nettovermögen nach vollständigem Verkauf beträgt daher 1.123.099 €.
Wird das Depot jedoch jedes Jahr zu durchschnittlich 10% umgeschichtet, so reduziert sich das Vermögen nach 30 Jahren auf 1.134.778 €. Gleiches gilt jedoch für die Buchgewinne in Höhe von dann 453.179 € und die latenten Steuern von nur noch 118.573 €, so dass das Nettovermögen 1.016.205 € beträgt. Dies sind allerdings beachtliche fast 107.000 € oder 9,5% weniger als ohne Umschichtungen.
Werden jetzt sogar jedes Jahr durchschnittlich 30% umgeschichtet, so sinkt das Nettovermögen noch weiter auf ungefähr 960.500 €, also circa 162.500 € weniger. Auch hier machen sie noch höhere Umschichtungen zwar bei einem Nettovermögen von dann nur noch gut 943.000 € bemerkbar, aber diese circa 17.000 € entsprechen eben nur 1,8%. Der Anteil der Umschichtungen wirkt also noch stärker auf das Anfangsvermögen als die Sparraten, was auch gut erklärbar ist, weil letztere im Schnitt eben kürzer im Depot verweilen.
Umschichtungen müssen vermieden werden
An den Zahlen zeigt sich, dass jeder, der es auch nur in Betracht zieht, ab und an sein Depot umzuschichten, deutlich Einbußen hinnehmen muss. Sofern er nicht in Aktien umschichtet, deren Rendite den vorherigen deutlich überlegen ist. Die Steuer führt also dazu, dass Kaufen und Halten die Devise sein muss und zwar am besten über den ganzen zu betrachtenden Zeitraum. Thesaurierende Fonds werden unabhängig von ihren Gebühren attraktiver gegenüber der Einzelanlage, ab welchem Anteil der Umschichtungen das Pendel von der einen auf die andere Seite ausschlägt, hängt vom Einzelfall ab.
Mit der Einzelanlage gab es jedoch noch weitere Verlierer, beispielsweise Vermögensverwalter, welche die Depots der Kunden direkt geführt haben. Diese Gruppe musste ihren Kunden nun entweder eine nachteilige Lösung verkaufen oder die gleiche Dienstleistung innerhalb eines Fonds anbieten, was natürlich nur bei großen Vermögen eine wirtschaftliche Option ist. Ausschüttende Fonds oder Dividendenzahlungen von Einzelaktien haben jedoch den gleichen Effekt, dass Geld der Vermögensbildung entzogen und besteuert wird, bevor es wieder investiert werden kann.
Aus diesem Grund ist die Vermögensbildung über thesaurierende Indexfonds das Mittel der Wahl, weil damit die Versteuerung längsmöglich aufgeschoben werden kann und die Wertentwicklung deshalb bestmöglich ist. Ohne die Strategie der Auswahl von Dividendenaktien an sich zu beurteilen ist alleine die Hohe Ausschüttung und die damit zusammenhängende Besteuerung ein Nachteil, der nur noch schwer auszugleichen ist. Unter der Annahme, dass es keine langfristig über alle Zyklen erfolgreichere Strategie gibt, ist davon abzuraten.
Selbst in einem Fonds kommt dieser Effekt zum Tragen und da aktive Fonds langfristig Indexfonds nur schwer schlagen, sollte die Entscheidung getroffen sein. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch Entscheidungen von Warren Buffett zu sehen, nie zu verkaufen und keine Dividenden auszuschütten. Beides ist unter steuerlichen Aspekten optimal, um in einem potentiell ewig lebenden Unternehmen maximale Werte zu schaffen. Also wenn schon Einzelaktien, dann Berkshire Hathaway, aber kaufen und liegen lassen.
Die Steuergesetzgebung ändert sich immer wieder
Die steuerlichen Veränderungen, die uns 2018 und 2019 erwarten, setzen an genau diesem Punkt an. Erstens führt die Teilbesteuerung von einigen Ausschüttungen innerhalb eines Fonds zu nichts anderem als der Reduzierung des Fondsvermögens und dementsprechend der schlechteren weiteren Vermögensentwicklung, analog einer Umschichtung. Glücklicherweise sind davon zwar beispielsweise Dividenden und keine Veräußerungen von Aktien betroffen, aber dennoch schade.
Zweitens führt die fiktive Veräußerung aller Altanteile aus der Zeit vor 2009 zu einem Ende der steuerfreien Buchgewinne. Eine Umschichtung oder ein Verkauf führen dann zwar nur zu steuerpflichtigen Erträgen ab 2018, aber dies wird dennoch deutlich zu Buche schlagen. Wenn nun noch 2019 oder später die Abschaffung der Abgeltungssteuer und die Wiedereinführung der Besteuerung der Erträge mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz folgen, dann steigt die Steuerlast noch weiter an.
Diese Änderungen und die grundsätzlichen Möglichkeiten in diesem Land für das Alter vorzusorgen führen damit immer deutlicher hin zu thesaurierenden Indexfonds. Allerdings führen sie mit Sicherheit nicht dazu, dass die mehr Leute in Aktien sparen und diese langfristig mehr Geld zu Verfügung haben werden. Die Gleichstellung von Erträgen aus Kapital und Arbeit mag grundsätzlich richtig sein, aber eine Möglichkeit die Steuerlast in die Zukunft zu verschieben wäre genauso wichtig. Denn damit würde ein starker Anreiz geschaffen, sich wirklich langfristig um die Altersvorsorge zu kümmern.
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