Nicht selten erlebe ich es, dass sich Menschen erst mit den eigenen Finanzen beschäftigen, wenn sie dazu gezwungen werden. Damit meine ich noch nicht einmal die negativen Fälle, bei denen die Bedienung von Krediten anfängt Schwierigkeiten zu bereiten oder es einfach kein Vorwärtskommen bei der Rückzahlung gibt. Sondern bei den positiven, bei denen es um die Anschaffung einer Immobilie oder ähnliches geht, aber ein Kredit von einer Bank notwendig ist. Plötzlich tun sich die Menschen schwer, das Nettoeinkommen anzugeben, die monatlichen Ausgaben zu schätzen oder eine Vermögensübersicht abzugeben.
Mir ist durchaus bewusst, dass die monatliche Überweisung des Arbeitsgebers schwanken kann, weil es variable Gehaltsbestandteile gibt oder mehr als 12 Monatsgehälter. Bei Selbstständigen ist es noch schwieriger, weil es vermutlich erst nach der Steuerfestsetzung endgültige Klarheit gibt. Bei den Ausgaben ist es noch schwerer, den Überblick zu behalten, besonders wenn Investitionen, Sparvorgänge, Lebenshaltungskosten und Urlaube alle von einem Konto abgebucht werden. Gerade die unterschiedlichen Perioden, auf welche sich die Ausgaben beziehen, machen eine Betrachtung schwierig.
Wenn nicht genügend Geld auf dem Konto ist, um eine fällige Zahlung zu leisten oder um sich einen Wunsch zu erfüllen, so scheint das Problem offensichtlich. Es kann jedoch genauso gut sein, dass eigentlich noch genügend Geld vorhanden ist, nur die Liquidität spiegelt dies nicht wieder. Letzteres ist vermutlich seltener, aber für diese Fälle gibt es Kredite, welche für ein wenig Geld, den Zins, diesen Zeitraum überbrücken. Dieses Geld hätte jedoch eingespart werden können, wenn die eigenen Zahlungsströme besser bekannt gewesen wären. Beide Fälle bestätigen die Hypothese des Titels.
Solange genügend Geld auf dem Konto ist, gibt es oberflächlich betrachtet kein Problem. Allerdings gibt es auch hier zwei Fälle, nämlich dass entweder wirklich genug Geld vorhanden ist, oder aber leider nicht, dies aufgrund von Besonderheiten aktuell aber nicht auffällt. Letzterer Fall hängt wiederum mit der Kenntnis der eigenen Zahlungsströme zusammen. Denn vielleicht fällt eine regelmäßige Ausgabe später als erwartet an, der Urlaub ist dieses Jahr später oder es gab eine unverhoffte Sonderzahlung vom Chef. Dies bestätigt die Hypothese jedoch erneut.
Betrachtet soll aber nun der Fall werden, bei dem es prinzipiell nie Geldprobleme gab und sogar der eine oder andere € gespart werden konnte. Nun soll beispielsweise eine Immobilie angeschafft werden, welche dann im besten Fall aber nicht der aktuellen Mietwohnung entspricht, sondern am besten größer, schöner und moderner ist und noch besser liegt. Diese hat jedoch ihren Preis und nun ist die Frage, wie beurteilt werden soll, ob dieser im Rahmen liegt oder nicht.
Der reine Geldfluss kann bei Krediten in die Irre führen
Während früher das benötigte Eigenkapital im Zusammenspiel mit dem Kreditzins dafür gesorgt hat, dass es gar nicht möglich war, über den eigenen Verhältnissen zu kaufen, so ist dies heute kein Problem mehr. Denn eine Villa für 1 Million € ist bei einem Kreditzins von 1% und einer Tilgung von 1% schon für 20.000 € pro Jahr zu haben, 1.666 €im Monat erscheinen dafür geradezu als Schnäppchen. Allerdings wird dieser Kredit auf diesem Weg vermutlich nicht getilgt werden und wenn der Zins steigt, kommt das böse Erwachen. Nicht nur die Kosten für den Zins werden steigen, sondern im gleichen Zug wird auch der Wert der Immobilie fallen, weil es eben nicht mehr so viele Käufer geben wird.
Daher muss selbst analysiert und geplant werden, wie die eigene finanzielle Situation ist und wie sich diese über die Laufzeit des Kredites entwickeln wird. Die Basis legt das aktuelle Budget, welches im Detail bekannt und verstanden sein muss. Nur dann ist eine vernünftige Schätzung der Entwicklung über große Zeiträume verlässlich möglich. Zusammen mit verschiedenen Annahmen zur Zinsentwicklung ergibt sich dann ein Gesamtbild, welches klar hervorbringt, wo die finanzielle Grenze liegt.
Einfach zu einer Bank zu gehen und zu fragen, ob sie die Finanzierung übernehmen, ist sicherlich der falsche Weg. Unabhängig davon, wie gut die Qualität von deren Kreditabteilung ist, so darf es nicht sein, dass hier die Verantwortung an die Bank abgegeben wird. Erst gilt es, dass eigene Verständnis zu haben, um dann die Bank von der eigenen Sichtweise zu überzeugen. So wird es am Ende vielleicht sogar ein etwas besserer Zins, weil eine bessere Kenntnis ein besseres Verhandlungsergebnis zur Folge hat.
Nach diesen Überlegungen gibt es für mich kein anderes Fazit. Man kann sich gar nicht zu früh mit der eigenen finanziellen Situation beschäftigen und wer erst anfängt, wenn er sogar schon die Wunsch-Immobilie oder ähnliches gefunden hat, handelt garantiert zu spät. Es muss allerdings kein Schaden entstehen, insofern ist nichts verloren. Aber fahrlässig ist es meines Erachtens schon, weil es schlicht zu spät ist, wenn etwas auffällt, und die Reaktion dann unter ungünstigen Vorzeichen ablaufen muss. Damit ist die Hypothese auch im letzten Fall festgestellt.
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