Zunächst einmal muss jedem klar sein, dass es keine Sicherheit in der Zukunft gibt. Es geht um die Zukunft und niemand kann voraussehen, wie diese aussehen wird. Das bedeutet nicht, dass keine Vorkehrungen getroffen werden sollten oder dass überhaupt keine Aussage möglich ist. Jegliche Prognose oder Berechnung ist lediglich von Annahmen abhängig, die sich in die eine oder andere Richtung noch ändern können. Die Wahrscheinlichkeit, mit der dies erfolgt oder erfolgen könnte, stellt dann ein mögliches Risiko dar, welches Du Dir bewusst machen solltest.
Die erste Annahme ist beispielsweise, dass Du 80% Deines letzten Nettoeinkommens im Ruhestand zur Verfügung haben möchtest. Du kannst Dein Ziel ebenso gut höher oder niedriger ansetzen, je nach Deinen Plänen, aber es ist dennoch die erste Annahme. Kalkulierst Du dann mit diesem Betrag ist jede Abweichung davon eine Risiko, welche damit leicht quantifiziert werden kann. Damit bleibt zu prüfen, welche Einflussfaktoren es gibt, die auf dieses Risiko einwirken.
Nach dem aktuell existierenden 3-Säulen-Modell der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge resultieren daraus direkt folgende Einflussfaktoren:
- Die Politik
- Der Betrieb
- Eigene Entscheidungen
Gleichzeitig gibt es jedoch noch Einflussfaktoren, die den genutzten Produkten oder Modellen zugrunde liegen. Denn das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung basiert beispielsweise auf wirtschaftlichen und demographischen Faktoren, die keinesfalls stabil sein müssen und es in der Vergangenheit auch nicht waren. Deine Entscheidungen wiederum hängen gegebenenfalls von Deinem Arbeitgeber und den verfügbaren Produkten mit ihren jeweiligen Eigenschaften ab. Daher kommen mindestens noch folgende Faktoren hinzu, die betrachtet werden müssen:
- Die Demographie
- Die Wirtschaft, beispielsweise Lohnentwicklung, Inflation und Zinsen
- Der Markt
- Die Produkte
- Das Timing
Die Politik wird auch in Zukunft Änderungen vornehmen, soviel ist sicher. Ob es mehr oder weniger werden als in der Vergangenheit und wie sich diese auswirken, ist schlecht einzuschätzen. Zu beachten ist, dass die Eingriffe sich nicht nur auf die Rente beziehen, sondern auch Änderungen der Steuern oder Sozialversicherungen Auswirkungen haben können. Hier ist in der Regel keine pauschale Aussage möglich, weil selbst generelle Regelungen auf individueller Ebene höchst unterschiedlich sein können und aus diesem Grund gründlich betrachtet werden müssen.
Bist Du ein Arbeitnehmer und kommst überhaupt in den Genuss einer betrieblichen Altersvorsorge oder einer beliebigen Zuwendung, so muss ist diese ebenfalls nicht in alle Ewigkeit sicher. In wie fern Deine betriebliche Altersvorsorge angepasst wird hängt unter anderem von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ab und ist ebenfalls kaum prognostizierbar. Deine Entscheidungen jedoch sollten Deine Einschätzung der übrigen Einflussfaktoren berücksichtigen.
Die Auswirkungen der Einflussfaktoren variieren
Als erstes soll die Demographie als Einflussfaktor betrachtet werden. Zunächst ist die Sterblichkeit für alle Altersstufen für Männer und Frauen in den letzten 10 Jahren um knapp 30% zurückgegangen, in den letzten 20 Jahren sogar um knapp 50%. Dies hat zur Folge, dass in der Vergangenheit regelmäßig der Durchschnitt der Personen älter geworden ist, als es prognostiziert wurde. Entsprechend schwierig ist die Voraussage und der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den Periodentafeln des statistischen Bundesamtes und den Generationentafeln der privaten Rentenversicherer beträgt etwa 9 Jahre für Männer und Frauen.
Im Ergebnis hat es gravierende Auswirkungen auf Deine Altersvorsorge. Wird die Lebenserwartung überschätzt, ist Deine Rente zu gering, ansonsten zu hoch. Umgekehrt, wenn Du Vermögen selbst verrentest, dann ist vielleicht kein Geld mehr übrig, obwohl Du noch lebst. Außerdem steigt die Lebenserwartung mit jedem Jahr an, welches Du erlebst. Denn die Lebenserwartung für alle 50-jährigen Männer schließt auch die Männer mit ein, welche danach sterben, die für alle 65-jährigen Männer jedoch nur die Männer, die zu diesem Zeitpunkt noch leben.
Eine andere Folge der demographischen Entwicklung ist die Geburtenrate, welche in den letzten Jahrzehnten deutlich rückläufig war, während sie in den letzten Jahren leicht gestiegen ist. Dies ist in der Individualversicherung zwar irrelevant, führt allerdings in der Gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Umlageverfahren dazu, dass immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Für einen Ausgleich muss entweder der Beitragssatz steigen, die Rente fallen oder der Zuschuss des Staates erhöht werden.
Bei den wirtschaftlichen Einflussfaktoren führen steigende Löhne hingegen zu steigenden Renten, wenn die gesamte Lohnsumme steigt. Obwohl steigende Löhne zu begrüßen sind, weil sie eben denen zugutekommen, die arbeiten, ist es trotzdem eventuell problematisch, wenn Deine Lebenshaltungskosten ebenfalls steigen. Denn dann steigt damit ebenso Dein notwendiges Einkommen im Ruhestand, weil es durch den Anteil von 80% direkt an Dein Nettoeinkommen gekoppelt ist.
Andere Einflussfaktoren sind die Inflation und der Zins, weil ersterer Dein Vermögen und die Rentenzahlungen entwertet und letzterer Dein Vermögen vermehren kann. In der aktuellen Phase niedriger Zinsen wird die Vermögensbildung beispielsweise erschwert. Gleichzeitig profitieren Rentner von einer geringen Inflation und damit einhergehender Stabilität der Preise. Stellen sich die Annahmen zu Inflation und Zinsen oder vielmehr der erzielten Rendite der Anlagen im Nachhinein als zu gering heraus, so fehlt im Alter Geld, es kann jedoch auch umgekehrt sein.
Die letzten Einflussfaktoren spielen ebenfalls eine große Rolle und sind vermeintlich weniger durch eigene Entscheidungen zu beeinflussen. Dazu gehören der Zustand des Marktes und die verfügbaren Produkte, welche Dir zur Verfügung stehen. Allerdings spielt das Timing eine nicht zu vernachlässigende Rolle, denn an Deinem Geburtsjahr und dem Übergang in den Ruhestand lässt sich nicht viel ändern, einmal davon abgesehen, dass Du es ein paar Jahre früher anstreben kannst.
Wenn alles unsicher ist, ist die Kenntnis der Optionen schon ein Vorteil
Als Fazit ist es schwierig, Dein individuell größtes Risiko zu ermitteln, weil es eben stark von Deinen Präferenzen abhängt. Wer nur mit festverzinslichen Produkten kalkuliert und von den aktuellen Zinsen ausgeht, wird wenig Risiko nach unten und ebensowenig Rendite haben. Allerdings ist der Sparbeitrag dann gigantisch hoch und nur schwer zu leisten. Wer voll auf Aktien setzt hat mehr Risiken, aber gleichwohl eine bessere Chance, es überhaupt finanzieren zu können.
Über allem schwebt jedoch das Risiko der Lebenserwartung, welches ich als das größte einschätzen würde, weil die Lebenserwartung so dramatisch unterschätzt wird. Diese setzt ein wesentlich höheres Vermögen für den Ruhestand voraus, um Bedarf über die private Altersvorsorge zu decken. Ob das Vermögen 16 oder 25 Jahre reichen muss macht einen großen Unterschied aus, der sich darüber hinaus sowohl in den Rentenzahlungen der Gesetzlichen Rentenversicherung als auch der privaten Rentenversicherungsanbieter niederschlägt beziehungsweise schlagen wird.
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