In 20km Entfernung einer Großstadt wurde ein Mehrfamilienhaus zur Geldanlage angeboten. Interessanterweise direkt von privat und der Verkäufer hat gleich in der Objektbeschreibung eine Rechnung angegeben, dass eine Rendite von gut 9% auf das Eigenkapital möglich sei. Das ist grundsätzlich nicht schlecht und in einem akzeptablen Zustand ist ein Mehrfamilienhaus immer eine Option zur Geldanlage, daher verschaffe ich mir am besten selbst ein Bild.
Der Preis der Immobilie ist mit 728.000 € angegeben, was ungefähr 27,5 Bruttojahresmieten entspricht. Die Nebenkosten ohne Makler sind mit 8% oder 58.200 € abgeschätzt, was durchaus realistisch klingt. Damit erhöhen sich die Gesamtkosten auf 786.200 € oder fast 30 Bruttojahresmieten, was sich schon ein wenig teuer anhört. Von der Bruttojahresmiete in Höhe von 26.400 € sind noch die Verwaltungskosten abzuziehen, im Beispiels des Verkäufers mit 5% oder 1.320 € angegeben. Instandhaltungskosten sind anscheinend nicht notwendig.
Vorgeschlagen wird ein Eigenkapital von 25% auf den Kaufpreis inklusive Nebenkosten und damit 196.500 €. Dies ergibt ein Darlehen von 589.600 € oder 81% des Immobilienwertes, in der Annahme, dass es zu diesem Preis verkauft wird. Je nach Bewertung durch die Bank kann diese Zahl auch anders lauten, allerdings sollte eine Beleihung unter 80% angestrebt werden, damit der Zins geringer ausfällt. Der Einsatz von 200.000 € oder sogar 210.000 € sollte jedoch nicht das Problem darstellen, sonst ist das Risiko von vorne herein zu hoch.
Der Darlehenszins für 10 Jahre wird mit 1,25% angegeben, was ich in Anbetracht der Beleihungsquote aktuell als günstig ansehen würde. Die Tilgung mit 1,75% ist fast zu vernachlässigen, weil am Ende der Zinsbindung noch circa 480.000 € Restschuld verbleibt, welche in der Anzeige jedoch nicht angegeben war. Von den Mieteinnahmen würden daher knapp 7.400 € jährlich für die Zinszahlung und gut 10.300 € für die Tilgung abgehen, so dass ein Überschuss von knapp 7.400 € verbliebe.
Diese Zahl fehlt jedoch, es ist nur der Überschuss vor Tilgung mit gut 17.700 € in der Anzeige angegeben, welche in Bezug auf das Eigenkapital tatsächlich eine Rendite von 9,01% ergibt. Zum einen würde ich jedoch Instandhaltungskosten von 1,5% einrechnen sowie den Kredit nicht tilgen, weil jede Tilgung das Eigenkapital erhöht und damit die Rendite senkt. Der Bodenrichtwert für das Grundstück liegt bei ungefähr 150.000 €, wobei aktuell jedoch teilweise die doppelten Preise bei freien Grundstücken bezahlt werden.
Wie ich die Immobilie rechnen würde…
Der Ansatz von 150.000 € führt jedoch schon zu Instandhaltungskosten von gut 8.600 € pro Jahr auf den Wert des Hauses. Als Eigenkapital würde ich 210.000 € ansetzen, um unter der 80%-Grenze bei der Beleihung zu liegen. In der Annahme eines tilgungslosen Darlehens rechne ich dann mit einem Zins in Höhe von 1,45%, was die Zinskosten auf knapp 8.400 € erhöht, oder ungefähr 1.000 €. Leider reduziert sich damit bereits die Rendite auf nur noch 3,84%, was heute kein schlechter Wert ist aber in Anbetracht des Risikos aufgrund der Anschlussfinanzierung auch nicht besonders gut.
Der Liquiditätsüberschuss vor Instandhaltung beträgt damit gut 16.700 € pro Jahr für die eingesetzten 210.000 €. Wenn die Immobilie in 10 Jahren mit einer Wertsteigerung von 8% verkauft werden kann, dann ist es mit Sicherheit eine vernünftige Anlage, auch wenn ich die 8% nicht akzeptieren würde. Nur dann wäre auch mein Eigenkapital vollständig erhalten geblieben, weil dies den Nebenkosten entspricht. Eine Wertsteigerung unter 8% würde daher die Rendite schmälern, über 8% die Rendite noch weiter erhöhen.
Das Risiko der Immobilie lässt sich daher nur nach einer Besichtigung wirklich einschätzen, weil großartige Puffer nicht mehr vorhanden sind. Vielleicht ist der Zustand wirklich gerade nach einer gründlichen Renovierung, dann kann die Instandhaltung für 10 Jahre vielleicht wirklich vernachlässigt werden. Mit einem großen Renovierungsstau dagegen sind 1,5% eher noch zu niedrig angesetzt, zumal eventuell ein großer Liquiditätsbedarf entstehen könnte.
Aus diesen Gründen habe ich gezögert, mit die Immobilie anzuschauen, allerdings war sie bereits nach 3 Wochen verkauft. Der Kaufpreis ist mir nicht bekannt, zu den obigen Konditionen hätte ich jedoch abgelehnt. Vollständig Barzahlung ergäbe eine Mietrendite von 1,02%, was sicherlich überhaupt nicht mehr attraktiv ist. Allerdings könnte eine 100%-Finanzierung durchaus eine Möglichkeit sein, wenn eine Bank aufgrund Deiner Historie oder Deines Einkommen gewillt ist, Dir diese zu geben.