Ein Familienvater im Alter von 37 Jahren sucht seit Jahren vergeblich für sich, seine Frau und seinen Sohn eine Immobilie, bei der er auch bei weiterem Nachwuchs keine Platzprobleme bekommt. Weil er eben diese Immobilie nicht gefunden hat, möchte kauft er nun ein gut 500qm großes Grundstück für ungefähr 600.000 €, um darauf eine Immobilie mit knapp 250 qm zuzüglich Nutzfläche zu bauen. Für den Bau veranschlagt er weitere 700.000 €, wobei jedoch nur für das Grundstück noch zusätzlich Grunderwerbssteuer fällig wird.
Die gute Nachricht ist, dass er bereits über ein Vermögen von fast 1 Million € verfügt, welches aufgrund hoher Bonifikationen schnell angespart werden konnte. Diese werden jedoch in Zukunft geringer ausfallen, so dass der Kredit im Wesentlichen aus den Gehältern von ihm und seiner Frau zurückbezahlt werden muss. Der notwendige Kredit in Höhe von rund 400.000 € aufgrund Steuer und zusätzlicher Außenanlagen ist zum Glück in dieser Situation kein Problem.
Die Frage ist jedoch, ob wirklich das komplette Eigenkapital eingesetzt werden sollte oder ob es sich nicht lohnt, einen höheren Kredit aufzunehmen. Neben dem rein wirtschaftlichen Aspekt gibt es darüber hinaus noch den emotionalen, weil mit einem höheren Kredit auch eine höhere monatliche Belastung einhergehen würde. Zumal in Anbetracht der Tatsache, dass die Raten für einen Kredit, welcher in 10 Jahren endfällig getilgt werden soll, zwar einerseits das Zinsänderungsrisiko ausschalten, aber andererseits die monatliche Belastung bis an die Schmerzgrenze erhöhen.
Es müssten also monatlich höhere Raten geleistet werden, als zur Verfügung stehen. Dafür würde aber von der Bank mehr Geld ausgezahlt, als eigentlich für den reinen Hausbau gebraucht würde. Wie so oft, kann hier nur die Betrachtung der vollständigen Vermögensbilanz für Aufklärung sorgen. Wichtig ist es jedoch, zumindest eine oder bessere mehrere Alternativen zu haben, um diese zu bewerten und zu einer Entscheidung zu kommen.
Erst Alternativen ermöglichen eine Einschätzung der Wirtschaftlichkeit
Eine Alternative könnte also sein, nicht das komplette Eigenkapital zu verwenden, sondern im Rahmen einer 60% Beleihung weitere 350.000 € aufzunehmen, welche anderweitig investiert werden. Oder im Rahmen einer 80% Beleihung sogar weitere 600.000 €, wobei dies sicherlich einen anderen Zinssatz zur Folge hätte und damit die Berechnungen verkompliziert. Auf jeden Fall wäre genügend Liquidität vorhanden, um die Raten bezahlen zu können und außerdem ein beruhigendes Gefühl der ausreichenden Liquidität.
Besonders offensichtlich werden die Veränderungen jedoch, wird das komplette Vermögen betrachtet. Das Nettovermögen, also Immobilie und Liquidität abzüglich der Kredite, beträgt in allen Fällen 900.000 €. Das Haus, mit einem Wert der Anschaffungs- und Erstellungskosten von 1.300.000 €, macht davon 144,4% aus, weil 30,8% entsprechend 44,4% des Nettovermögens Kredite sind. Wird jedoch ein Kredit von zusätzlich 350.000 € aufgenommen, so steigt das Gesamtvermögen auf 1.650.000 €, weil neben dem Haus noch Liquidität von 38,9% vorhanden ist. Das Netto-Vermögen steigt natürlich nicht. Der Gesamtanteil des Kredits steigt allerdings ebenso von 30,8% auf 45,5%.
Wird sogar ein zusätzlicher Kredit von 600.000 € aufgenommen, so steigt das Gesamtvermögen auf 1.900.000 € und der Kreditanteil auf 52,6%. Auf das Nettovermögen bezogen sind dies bei 350.000 € Kredit 38,9% und im anderen Fall sogar 66,7% des Vermögens in Liquidität. Andererseits ist in der Ausgangsversion 100% des Vermögens in einem Haus gebündelt, während in den Alternativen zuerst 21,2% und dann sogar 31,6% anderes Vermögen zur vorhanden ist. Aus dem Gesichtspunkt der Diversifikation heraus betrachtet ist dies auf jeden Fall positiv.
Interessant ist nun die Wertentwicklung, welche auf die unterschiedlichen Vermögensteile anzusetzen ist. Bei einem Neubau kann diese in den ersten Jahren sogar negativ sein, sehr langfristig aber vermutlich positiv im Bereich 0,5%-1,0%. Von der Liquidität muss immer genügend wirklich verfügbar sein, damit die Raten bezahlt werden können. Ansonsten sind jedoch viele Möglichkeiten denkbar, eine gute Rendite bei angemessenem Risiko zu erzielen.
Ich würde daher 350.000 € Kredit zusätzlich aufnehmen und die gute Nachricht ist, dass dies jederzeit, auch nachträglich, erfolgen kann. In dem Fall sind wenigstens „nur“ 80% des Vermögens in der einen Immobilie gebündelt. Bei einer Anlage von wenigstens 200.000 € in Aktien hätte ich die berechtigte Hoffnung, langfristig eine höhere Rendite als die aktuellen Kreditzinsen zu erzielen, womit ich praktisch einen Kredithebel zur Steigerung der Rendite nutzen würde. Damit wäre wenigstens die Chance vorhanden, dass das Nettovermögen in den nächsten Jahren nicht nur durch die Sparraten wächst.
Als Fazit für den Einsatz des Eigenkapitals lässt sich feststellen, dass dessen ideale Höhe im Wesentlichen von den Zielen beeinflusst wird. Wer sein Vermögen renditeorientiert betrachtet, wird so wenig wie möglich einsetzen, erhöht aber damit das Risiko. Wer sicherheitsorientiert ist, wird es komplett einsetzen und damit die Risiken bestmöglich reduzieren. Wer vorher zu 100% in Aktien investiert war und mit 60.000 € Erträgen auf eine Anlage von 1.000.000 € gerechnet hat, wird sich im Klaren darüber sein, dass eine Umschichtung komplett in eine selbstgenutzte Immobilie zu diesen Konditionen nicht wirtschaftlich ist.