Selbst wenn ich keine Ahnung habe, in was ich anlegen soll, warum sollte ich einen anderen Investor kopieren? Angenommen, jemand möchte 50.000 € investieren und seine Argumentation für jeden Kauf ist auf den ersten Blick glaubwürdig. Auf den zweiten Blick jedoch nur glaubwürdiger als jemand, der ohne eigenes finanzielles Risiko nur argumentiert. Denn die Begründung steht in keinen Zusammenhang mit seinem sonstigen Vermögen und auch nicht zur grundsätzlichen Aufstellung. Damit ergeben sich aber verschiedene Probleme, die der Leser lösen muss, bevor er den Wert der Aussagen für sich bewerten kann.
Liegt das Vermögen des Investors beispielsweise bei 5 Millionen €, so handelt es sich beim Betrag von 50.000 € um einen Anteil von 1%, der durchaus als Spielgeld bezeichnet werden könnte. Ist das Vermögen jedoch 0 € und der Betrag sogar nur mittels eines Kredites geliehen, sieht die Situation komplett anders aus. In jedem Fall spielt die Höhe des Vermögens eine große Rolle, ebenso wie die Aufteilung auf die verschiedenen Anlageklassen. Ist das Vermögen Großteils beispielsweise in Immobilien angelegt, so bietet sich eine risikoreichere Anlage in Aktien an. Hier sind unbegrenzt viele Konstellationen denkbar, so dass die Relevanz der Aussage stark abnimmt.
Ebenso großen Einfluss hat das Einkommen auf die Positionierung. Jemand mit einem Nettoeinkommen von 10.000 € pro Monat im Alter von 40 Jahren wird anders bei der Anlage eines Betrages von 50.000 € vorgehen, als jemand im Alter von 60 Jahren ohne Einkommen oder jemand im Alter von 30 Jahren mit einem Einkommen von 1.000 € monatlich netto. Ebenso spielt die Sicherheit des Einkommens eine Rolle, ob als Beamter garantiert, als Angestellter in der Wirtschaft oder als Selbstständiger mit mehr oder weniger großem Risiko.
Außerdem geht es generell um die Einstellung zum Risiko, weil für den einen eine langfristige Staatsanleihe schon riskant ist, während ein anderer mit 100% Aktienquote in Schwellenländern gut schlafen kann. Nicht zuletzt gibt es Anleger, die mit Optionen oder Futures handeln, gerne auf Kredit, die ein wiederum völlig anderes Risiko eingehen. Hier ist die Ausbildung, die Erfahrung und vieles andere von Bedeutung, weshalb die Aussagekraft noch weiter schwindet, weil einfach kaum zwei Situationen vergleichbar sind.
Ich stelle mir deshalb die Frage, welchen Zweck kopieren haben sollte, wenn die zukünftige Rendite immer unbekannt ist, in diesem Fall jedoch sogar die Ergebnisse der Vergangenheit? Ich weiß von Fällen, in denen es um die Einsparung von Gebühren geht, beispielsweise in der Vermögensverwaltung. Die Gebühr wird dann nur auf den verwalteten Teil fällig, mit einem anderen Teil kann ich dann die Transaktionen kopieren und spare die Verwaltungskosten. Vielleicht nicht unbedingt fair, aber möglich, und zudem mit dem Problem behaftet, dass der Vermögensverwalter aufgrund der unklaren Darstellung eine eventuell nicht optimal passende Strategie wählt.
Bleibt der letzte Punkt, den ich nicht unterstellen möchte, aber zumindest ansprechen. Im Prinzip ist es eine Art des offenen Frontrunnings, weil der Investor / Autor investiert und jeder Leser mit späteren Käufen den Kurs nach oben treibt oder zumindest stützt. Diese Masche funktioniert natürlich bei engen Werten besser als bei riesigen Unternehmen, letztlich ist es dennoch eine Möglichkeit. Warren Buffett weist ausdrücklich darauf hin, dass niemand Berkshire kopieren sollte, weil die Situation für niemanden vergleichbar ist. Unabhängig von der Konkretisierung sollte der Ratschlag allgemein befolgt werden, wer es trotzdem macht, hilft ihm jedoch.