Ein Ehepaar im Alter von 40 und 36 Jahren wohnt in einer Eigentumswohnung in einer Großstadt und plant eine größere Immobilie in der Nähe der Stadt zu erwerben, um dorthin umzuziehen. Diese Immobilie kostet 500.000 € zuzüglich Nebenkosten von rund 40.000 € und war vorher für rund 20.000 € teurer und Maklercourtage nicht verkauft worden. Insofern spart das Ehepaar ungefähr 50.000 €, was allerdings auch notwendig ist, weil nur 100.000 € Eigenkapital vorhanden ist und mit einem kleinen Puffer 450.000 € finanziert werden sollen.
Als Brutto-Einkommen stehen jeweils rund 60.000 € zur Verfügung, was ein Netto von ungefähr 5.000 € monatlich ergibt. Der Vorschlag der Bank ist ein Darlehen über 26 Jahre, welches sowohl mit dem neuen Haus als auch der Eigentumswohnung besichert ist und 2,7% Zins bei einer Zinsbindung über die gesamte Laufzeit kostet. Die Belastung von 1.800 € im Monat wird um die zukünftigen Mieteinnahmen reduziert. Der Wert der Wohnung beträgt aktuell rund 175.000 €, wovon 25.000 € auf das Grundstück entfallen.
Bei den Mieteinnahmen wird mit einer Kaltmiete von 800 € im Monat für ein Baujahr 1970 gerechnet. Von diesen sind jedoch die Verwaltungskosten von 50 €, die Instandhaltungskosten bei 1,5% in Höhe von ungefähr 190 € und die Steuern nach 2% Abschreibung in Höhe von 200 € abzuziehen, so dass nur 360 € übrig bleiben. Dies reduziert jedoch die Belastung auf nur noch 1.440 €, was von beiden auch in Zukunft problemlos gestemmt werden kann.
Die angebotene Variante ist auf jeden Fall sicher, weil alles über die komplette Zeit garantiert ist. Eine Variante mit einer kürzeren Zinsbindung von beispielsweise 10 Jahren wäre mit dem Risiko verbunden, dass noch eine Restschuld von ungefähr 250.000 € vorhanden wäre, für die ein Anschlusskredit notwendig wird. Eine Variation davon mit 2 Krediten und unterschiedlicher Laufzeit von 10 und 15 Jahren reduziert zwar das Risiko des Zeitpunktes ein wenig, weil nur noch die Hälfte umgeschuldet werden muss, dennoch bleibt die Grundthematik präsent. Dafür wäre gewiss der Zins ein wenig günstiger.
Die Sicherheit ist auf jeden Fall ein großer Vorteil der angebotenen Lösung und jeder muss selbst entscheiden, welches Risiko er zu tragen bereit ist. Hier präferiert das Ehepaar auf jeden Fall in Richtung Sicherheit, so dass die Beratung höchstens noch eine andere Alternative mit ein wenig Risiko ergeben könnte. Dazu sind jedoch sämtliche Prämissen auf den Prüfstand zu stellen, die bis jetzt eingeflossen sind, unabhängig davon, ob dies bewusst oder unbewusst passiert ist.
Wie könnte eine ganz andere Betrachtung aussehen?
Eine Prämisse ist das Festhalten an der Eigentumswohnung, obwohl der Verkauf durchaus eine Alternative ist. Ein Verkauf hätte die Reduzierung der Restschuld zur Folge, so dass auch eine kürzere Zinsfestschreibung ein geringeres Risiko zur Folge hätte und wieder in Betracht käme. Eine Aufteilung der Kredite für 0,8% auf 5 Jahre für 105.000 €, entsprechend einer Beleihung von 60% auf die Eigentumswohnung, für 1,1% auf 10 Jahre für 195.000 € und für 1,5% auf 15 Jahren für 150.000 € ergibt einen Mischzinssatz von 1,1%. Die beiden letzten Kredite ergeben wiederum nur eine Beleihung von ungefähr 60%, weil der Marktwert des Hauses laut Gutachten sogar circa 575.000 € beträgt.
Die Bewertung des Ergebnisses ist jetzt kompliziert, weil zwei gänzlich unterschiedliche Situationen vorliegen. Im ersten Fall ist nach 10 Jahren noch die Eigentumswohnung vorhanden, der Wert ist hoffentlich sogar um 1% pro Jahr gestiegen und es konnten Mieteinnahmen erzielt werden. Dafür ist die Restschuld höher, als wenn die Wohnung verkauft worden wäre und die Liquiditätssituation ist eine völlig andere, weil bei einem Verkauf zum Marktwert noch 70.000 € übrig bleiben.
Diese könnten natürlich direkt zur Tilgung von Krediten genutzt werden, allerdings erscheint dies bei einem Zins von knapp über 1% nicht sinnvoll. Stattdessen könnte das Geld über Indexfonds in Aktien investiert und ein zusätzlicher Überschuss erzielt werden. Ob dies für den gesamten oder einen Teilbetrag geschieht muss das Ehepaar selbst entscheiden. Bei einer durchschnittlichen Rendite von 6% pro Jahr würde sich das Vermögen allerdings ungefähr auf gut 120.000 € vermehren.
Wird die Tilgung nun bei diesen Kredit so gewählt, dass diese der Belastung der Kredit-Alternative entspricht, erleichtert dies den Vergleich. In beiden Fällen wären monatliche Zahlungen von 1.440 € fällig, wobei im ersteren Fall jedoch eine Mieteinnahmen von 360 € eingerechnet ist, welche ein Risiko des Mietausfalls beinhaltet. Der Arbeitsaufwand der Vermietung soll an dieser Stelle nicht monetär bewertet werden, geht aber ebenfalls zu Lasten der Alternative, bei dem die Wohnung behalten wird.
In der Alternative der langen Zinsbindung ist nach 10 Jahren noch eine Restschuld von gut 261.000 € vorhanden, dem gegenüber steht der Wert der Eigentumswohnung von knapp über 193.300 €, so dass die Nettoverbindlichkeit 67.700 € beträgt. Bei der kurzen Zinsbindung hingegen beträgt die Restschuld nur 156.200 €, allerdings sind die Aktien auch nur 121.700 € wert. Übrig bleibt dennoch eine deutlich geringere Nettoverbindlichkeit von 34.500 €. Unter diesen Annahmen wäre also der Verkauf der Wohnung nach 10 Jahren vorteilhaft mit einem Wert von 33.100 €.
Abwägung von Risiken gegenüber Chancen
Nach 26 Jahren wird sich dieser Vorteil sogar noch ausweiten, allerdings ist hier eine weitere Annahme notwendig. Die Restschuld soll mit einem Anschlusskredit getilgt werden, die mit 10 jähriger Zinsbindung nicht mehr 1,1% betragen muss, sondern 2,0% kosten darf. In diesem Fall ist der Kredit bei gleicher Tilgung gut 2 Jahre früher komplett getilgt, der Gesamtvorteil beläuft sich bei gleicher Rendite der Aktien auf ungefähr 118.500 €. Alternativ besteht immer die Möglichkeit früher zu tilgen oder Sondertilgungen zu nutzen, zumal genügend Liquidität vorhanden ist.
Mir wäre die Flexibilität auf jeden Fall mehr wert als die jahrzehntelange Sicherheit, zumal die Wahrscheinlichkeit schlecht laufender Aktienmärkte über einen Zeitraum von 26 Jahren äußerst gering ist. Außerdem empfehle ich jedem einen ausreichenden Notgroschen vorzusehen, weil eben immer etwas passieren kann. Bei Hausbesitzern, selbst wenn es Neubauten sind, kann schnell noch etwas notwendig werden, was ein paar tausend € kostet. Ich bin froh, dass das Ehepaar letztendlich diese Variante gewählt hat.