Aus Sicht des Kunden vermutlich einfach so wenig wie möglich, wobei es jedoch zunächst einmal zu klären gilt, was überhaupt der Anspruch wäre. Aus Sicht des Beraters möchte dieser nämlich für seinen Aufwand adäquat vergütet werden und dieser Aufwand bestimmt sich maßgeblich aus dem Anspruch des Kunden. Dabei wird es nie ein Problem sein, wenn der Anspruch des Kunden höher liegt, weil der Berater dann mit mehr Aufwand diesem Anspruch gerecht werden kann, allerdings dann vermutlich auch zu höheren Kosten.
Umgekehrt könnte jedoch ein Problem entstehen, wenn der Kunde zu wenig fordert und der Berater guten Gewissens nicht akzeptieren kann, was der Kunde wünscht. In diesem Punkte entstünde ein unauflösbares Dilemma, weil der Kunden den Preis als zu hoch zurückweisen könnte und dem Berater nicht anderes bliebe, als den Stundenlohn zu senken, wenn er nicht doch nachgeben und die Qualität senken würde. Letzteres ist jedoch heutzutage nicht mehr ratsam, weil die Regulatoren ein so enges Netz um die Beratung gesponnen haben, dass dies dem Berater anschließend zum Verhängnis werden könnte.
Der Anspruch des Kunden ist in der Regel eine Frage oder ein Problem, welches er nicht alleine lösen kann oder will, mit Recherche und Internet oder ohne. Im optimalen Fall hat der Kunde alle Parameter seines Problems zusammen und es sind entsprechend wenige, so dass der Berater schnell in der Situation ist und eine Empfehlung aussprechen kann. In allen anderen Fällen verlängert sich die benötigte Zeit, jedoch wird sich dies noch einigermaßen im Rahmen halten, wenn der Kunde alles griffbereit hat.
Nicht in allen Fällen kann der Kunde jedoch sicher abschätzen, was für den betroffenen Sachverhalt alles relevant ist. Genau deshalb ist es die Aufgabe und Verpflichtung des Beraters, alle relevanten Aspekte abzudecken. Unter der Maßgabe einer ganzheitlichen Beratung, welche die kurz-, mittel- und langfristigen Wünsche und Ziele des Kunden abdeckt führt aus diesem Grund kein Weg an einer ausführlichen und umfassenden Datenerhebung beim Kunden vorbei.
Anschließend gilt es für den Berater, die Verbindungen zwischen den Daten zu analysieren und sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Dieses kann dem Eigenbild des Kunden gleichen, aber auch mehr oder weniger von diesem abweichen. Der letztere Fall ist wiederum der schwierigere, weil dann erst noch ein Abgleich vorgenommen werden muss, damit der Kunde am Ende die Gründe des Beraters versteht.
An einem Beratungsgespräch hängt viel mehr, als der Kunde auf den ersten Blick erwarten würde
Mit diesem gemeinsamen Verständnis und dem Wissen um Wünsche und Ziele des Kunden kann der Berater eine Empfehlung ausarbeiten, die er dem Kunden vorstellt. In wie fern dieser danach handelt ist selbstverständlich wieder einzig und allein die Entscheidung des Kunden. Für den Fall, dass der Kunde der Empfehlung folgen möchte, muss der Berater jedoch bereits einen Umsetzungsvorschlag präsentieren können, der es dem Kunden wiederum so einfach wie möglich macht beziehungsweise sogar eine vollständige Delegation zulässt.
Selbst dann ist es für den Berater noch nicht vorbei, weil er das Gespräch nachbearbeiten und vor allen Dingen dokumentieren muss. Diese Dokumentation darf jedoch keinesfalls nur für den Berater nachvollziehbar sein, sondern muss schon aus gesetzlichen Gründen dem Kunden ermöglichen, seine Beweggründe und Entscheidung auch nach Jahren nachzuvollziehen und gleichzeitig so schlüssig sein, dass ein anderer Berater mit diesen Informationen eine ebensolche Empfehlung ausgesprochen hätte oder zumindest nachvollziehen könnte.
Folgende Schritte sollten daher in dem Prozess mindestens vorhanden sein, wenn es um ein qualitativ hochwertiges Beratungsgespräch für Finanzdienstleistungen handelt:
- Interesse des Kunden
- Vermittlung des Verständnisse über den Prozess
- Datenerhebung samt Wünschen und Zielen
- Analyse der Daten und Vorbereitung des Gesprächs
- Abgleich der Situation mit dem Kunden
- Ausarbeitung einer Empfehlung
- Vorstellung der Empfehlung samt Umsetzungsvorschlag
- Nachbearbeitung des Gesprächs und Dokumentation
Daraus wird ersichtlich, dass es kaum in einem Gespräch möglich ist. Der Aufwand, den Kunden und seine individuelle Situation wirklich kennenzulernen ist wirtschaftlich in einem Beratungsgespräch kaum abzubilden. Die Kosten verteilen sich jedoch auf alle folgenden Beratungsgespräche, bei denen jedoch ungewiss ist, wie viele es geben wird. Dies hängt zwar von der Qualität des Beraters ab, mindestens jedoch von der Einschätzung des Kunden derselben, weil der Kunde die alleinige Entscheidung hat.
Dieses Dilemma führt zu der großen Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Berater an die Bezahlung und den Wünschen der Kunden. Geht der Berater von einem Zieleinkommen in Höhe von 45.000 € aus und ist in der Lage 10 Gespräche von 1,5h Stunden in einer Woche zu führen, so ergibt dies bei 40 Arbeitswochen im Jahr aufgrund von Urlaub, Krankheit und Fortbildung, einen notwendigen Stundenlohn in Höhe von 75 €. Kommen nun außerdem noch Kosten für ein Büro, eine Assistenz, Telefon, Internet, Steuerberatung oder sonstiges hinzu erhöht dies den notwendigen Stundenlohn zusätzlich, so dass für den ersten Termin aus Sicht des Beraters 150 € durchaus angemessen sind.
Aus Sicht des Kunden dagegen, der nicht weiß, was er bekommt und in vielen Fällen noch nicht einmal eine Vorstellung davon hat, unter welchen regulatorischen Rahmenbedingungen ein solcher Termin stattfinden wird und wie der Prozess insgesamt aussieht, erscheint dieser Wert hoch. Nicht zuletzt auch aus diesen Gründen ist vermutlich der Wunschpreis von Kunden für eine solche Beratung im Durchschnitt ungefähr 50 €. In diesem Durchschnitt sind Kunden enthalten, welche bereit sind, eben mehr als diesen Betrag zu bezahlen und dort kommt es zu einer Beratung. Alle anderen müssen eben leider verzichten, wobei ein Stundenlohn unter 30 € hart zu argumentieren ist.
Wieder ein Berufszweig, den die Digitalisierung auffressen wird
Als Fazit lässt sich der Schluss ziehen, dass nur die Digitalisierung helfen kann, die Preisdifferenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu verringern und letztlich ganz aufzuheben. Dafür bedarf es automatischer Teilprozesse und bestmöglicher Softwareunterstützung, was wiederum sehr hohe Investitionen erfordert und entsprechend große Nutzung, um diese wieder zu verdienen.
Letztlich wird es darauf hinauslaufen, dass aufgrund der regulatorischen Anforderungen und der niedrigen Grenzkosten von Robotern auf eine vollautomatisierte Beratung von Finanzdienstleistungen geben wird. Die notwendige Rechenleistung wird um das Jahr 2030 bestimmt vorhanden sein und das aktuelle Marktvolumen an Provisionen und Honoraren rechtfertigt den Markteintritt auf jeden Fall.
Gerade nach diesen Überlegungen ist es für mich unverständlich, warum so gegen Provisionen gewettert wird, schließlich geht hier der Berater in Vorleistung, und nicht der Kunde. Dennoch lohnt es sich, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine eigene Meinung zu bilden. Folgende Beiträge könnten dabei helfen:
Wo liegt das Problem bei der Beratung für Geldanlage in Aktien?
Beratungsqualität und Ergebnis sind nicht eindeutig!
Die Qualität einer Beratung ist nur schwer zu beurteilen!
Die Provision ist irrelevant, es zählt die Rendite
Finanzielle Verantwortung ist nicht delegierbar!
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